Dioxin

(2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin)

Charakterisierung
2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin Zur Gruppe chemischer Verbindungen vom Dioxin-Typ zählen 75 polychlorierte Dioxine (PCDD) und 135 Furane (PCDF). Das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin ist hierbei aufgrund seiner Giftigkeit von besonderer Bedeutung.
Dioxine entstehen bei Verbrennungsvorgängen aus Kohlenstoffverbindungen und anorganischem oder organischem Chlor. Sowohl Sauerstoffmangel als auch Kupfersalze fördern die Bildung von Dioxinen.
Sie entstehen zudem beim Erhitzen von chlorierten Benzolen, Biphenylen oder Diphenylethern auf mehr als 180°C in alkalischem Milieu.
Alle Dioxine sind wasserunlöslich, verflüchtigen sich nur sehr langsam und gelangen daher im wesentlichen an Staub- und Bodenpartikel gebunden in die Umwelt.
Die Giftigkeit der Dioxine (angegeben in TE-Einheiten) ist sehr unterschiedlich. Das bekannteste Dioxin, das Seveso-Gift 2,3,7,8-TCDD, ist der giftigste Vertreter dieser Gruppe.

Grenzwerte und Einstufungen

2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin
K2 (TRGS 905) Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten.
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Übergangsweise werden hier die ehemaligen 'Einstufungen der alten TRGS905' aufgeführt. Sobald gesetzlich verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) / Einstufungen usw. veröffentlicht sind, wird darüber unter www.gisbau.de berichtet.


Toxikologisches Wirkungsprofil

Hauptaufnahmeweg:
Im beruflichen Bereich stehen die inhalative Einwirkung sowie Hautkontakt mit kontaminierten Produkten im Vordergrund.
Atemwege:
Wegen des geringen Dampfdruckes und der starken Adsorption an Partikel bestehen Expositionsmöglichkeiten vor allem gegenüber an Stäuben gebundenem 2,3,7,8-TCDD. Risikoabschätzungen gehen von einer weitgehend vollständigen Resorption aus.
Experimentelle Daten liegen nur aus Tierversuchen vor (an Ratten wurde 2,3,7,8-TCDD aus einer Emulsion transpulmonal fast quantitativ resorbiert).
Haut:
Im Tierversuch und an menschlichen Hautpräparaten wurde für 2,3,7,8-TCDD eine relativ geringe Hautresorption (ca. 1-7 % aus acetonischer Lösung) nachgewiesen. Unter Praxisbedingungen wird die Resorption jedoch ganz we-
sentlich von der Matrix bestimmt, evtl. stark gefördert. Exposition gegenüber der Reinsubstanz ist die Ausnahme.
Verdauungstrakt:
Es ist von einer sehr guten Resorption auszugehen. In kinetischen Untersuchungen (Selbstversuch mit ca. 1 ng/ kg KG; Bilanzierung der Aufnahme aus der Muttermilch an Säuglingen) wurden jeweils ca. 90 % der Dosis resorbiert.
Hauptwirkungsweise:
akut: Erkrankung der Haut (Chlorakne), schwere Störungen des Allgemeinbefindens, Schädigung der Leber, neurotoxische Wirkung chronisch: dto. (in abgeschwächter Form)
Akute Toxizität:
Akute Expositionen mit 2,3,7,8-TCDD, dem toxischsten der oft als Kongenerengemisch vorliegenden polychlorierten Dibenzop-dioxine (PCDD), sind hauptsächlich nach Unfällen bei der Produktion chlorierter Phenole beschrieben worden.
Als Symptome traten zunächst Reizerscheinungen an Augen, Nase und im Rachen auf (evtl. bedingt durch die Mischexposition), weiterhin Schwindel, Übelkeit, Erbrechen. Innerhalb weniger Tage kam es vor allem im Gesichtsbereich
zu diffusen Rötungen und Schwellungen mit Juckreiz, bei gleichzeitig starker Lichtempfindlichkeit der Haut. Mit dem Rückgang dieser Befunde (ca. 8-14 d) entwickelt sich dann die für PCDD-Expositionen typische Chlorakne,
eine Erkrankung des Follikel- und Talgdrüsenapparates: vorherrschend sind Komedonen, daneben Talgretentionszysten, entzündliche Knötchen, Pusteln, Furunkel, auch Fisteln. Bevorzugte Lokalisationen sind Stirn, Wange, Schläfe, Ohr-
muschel, Nacken, Rücken und äußere Genitalorgane. Im Selbstversuch konnte Chlorakne durch dermale Applikation geringer Dosen (2 x 10 ug 2,3,7,8-TCDD) ausgelöst werden. Als weitere Hautbefunde werden vor allem fleckenförmige bis
flächige Hyperpigmentierungen an lichtexponierten Arealen beschrieben (zu Porphyrien vgl. "Chronische Toxizität"). Akute Intoxikationen/die Hautmanifestationen sind meist von einem schweren allgemeinen Krankheitsgefühl begleitet:
Kopfschmerz, Schwäche, Erbrechen, Magenbeschwerden, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Müdigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit, allgemeines Unwohlsein, Antriebsminderung, Leistungsabfall, Libido-, Potenzstörung u.a. (z.T. objek-
tivierbare Befunde im EEG und in physiologischen Tests). Periphere Nervenstörungen (Polyneuropathien mit Muskelschmerzen, Parästhesien; seltener sensible und motorische Ausfälle) können hinzukommen. Schwere Demenz oder isolier-
te Ausfälle von Hirnarealen sind dagegen unwahrscheinlich. Als Folgen akuter Exposition sind weiterhin Funktionsstörungen oder Schädigungen der Leber und Störungen im Fettstoffwechsel (Hyperlipidämie) beschrieben worden.
Die Chlorakne kann evtl. lebenslang (wellenförmig) persistieren. Spezifische Organschäden und schwere Allgemeinerscheinungen sind meist innerhalb von Monaten bis zu 2 Jahren reversibel (zu Dauerfolgen vgl. "Chronische Toxizität").
Todesfälle unmittelbar nach akuten Vergiftungen mit PCDD sind nicht bekannt geworden. Schlussfolgerungen aus Tierexperimenten, die 2,3,7,8-TCDD als extrem toxisch ausweisen, sind aufgrund einer starken
Speziesabhängigkeit der Befunde (orale LD50-Werte zwischen 2 und 5000 ug/kg KG) nur sehr eingeschränkt möglich.
Chronische Toxizität:
Für chronische Vergiftungen (Beurteilung aufgrund stets vorhandener Mischexposition erschwert) werden grundsätzlich ähnliche, aber weniger ausgeprägte Befunde angegeben. Chlorakne (meist lokal, aber auch systemisch verursacht)
gilt als "Marker" einer klinisch relevanten Intoxikation. Aufgrund großer Unterschiede der individuellen Empfindlichkeit trifft das jedoch nicht auf jeden Einzelfall zu. Weitere Hauterscheinungen (diffuse Hyperkeratose, Hyperpig-
mentation, Hirsutismus, Elastosis, Porphyria cutanea tarda) sind nach PCDD-Einwirkung seltener beobachtet worden. Reversible Störungen im Porphyrinstoffwechsel (Porphyrien; schwerste Form Porphyria cutanea tarda) können nach gegen-
wärtiger Kenntnis durch PCDD-Exposition ausgelöst werden, ihr ätiologischer Anteil ist jedoch nicht gesichert. Eine lebertoxische Wirkung hoher Dosen gilt als erwiesen, die Wirkung niedriger Dosen ist z.Z. nicht beurteilbar.
In Nachuntersuchungen an ehemals 2,3,7,8-TCDD-exponierten Arbeitern (Exposition z.T. 40 Jahre zurückliegend) wurden neben Chlorakne vor allem Störungen im peripheren Nervensystem (Verminderung der Muskeleigenreflexe, Empfindungs-
störungen in den Extremitäten, Muskelschwäche u.a.) sowie auffallende Persönlichkeitsprofile mit vermehrter psychosomatischer Störbarkeit und emotionaler Labilität gesehen. Eine Langzeitmorbiditätsstudie ergab Hinweise auf ein
häufigeres Auftreten bestimmter Erkrankungen (Schilddrüsenerkrankungen, Appendizitis, Infektionen und parasitäre Erkrankungen des Verdauungstraktes, Infektionen im oberen Atemtrakt, Hauterkrankungen).
Obwohl eine sichere kritische Morbiditätsgrenze nicht bekannt ist, wird aufgrund klinischer Erfahrungen davon ausgegangen, dass chronische Intoxikationen oder Langzeitwirkungen nach akuten Intoxikationen i.a. erst nach erheblichen
Expositionen auftreten. Das kanzerogene Potential des 2,3,7,8-TCDD (NOAEL, Ratte: 1 ng/kg KG/Tag) wird bei dieser Bewertung ausgeklammert.
KMT:
Zur Einstufung des fortpflanzungsgefährdenden, erbgutverändernden und krebserzeugenden Potentials s. Stoffliste nach Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG bzw. TRGS 905/TRGS 900 bzw. MAK-Liste (s. Kapitel VORSCHRIFTEN).
Reproduktionstoxizität: Trotz zahlreicher tierexperimenteller und epidemiologischer Untersuchungen liegt keine endgültige Bewertung des reproduktionstoxischen Potentials vor. Es muß aber durchaus in Erwägung gezogen werden. Mutagenität:
In Mutagenitätsstudien konnte bisher kein eindeutiger Beweis einer direkt DNA-schädigenden Wirkung gewonnen werden. Allerdings ergaben jüngste zytogenetische Untersuchungen an Human-Lymphozyten positive Befunde (SCE, Mikrokern-Test).
Kanzerogenität: Aus dem vorliegenden Informationsmaterial wurde abgeleitet, daß der Stoff als kanzerogen für den Menschen angesehen werden sollte.
Stoffwechsel und Ausscheidung:
2,3,7,8-TCDD akkumuliert vor allem im Fettgewebe. Vergleichbar hohe Konzentrationen können auch im Blutfett vorliegen (genutzt zum Expositionsnachweis). In der Leber wird, bezogen auf das Organgewicht, nur ca. 1/3
der im Fettgewebe vorhandenen Konzentration erreicht. Die Konzentration im Gehirn ist vergleichsweise gering. Der Metabolismus von 2,3,7,8-TCDD erfolgt zu polaren Metaboliten, die (teilweise nach Konjugationsreaktionen) wahr-
scheinlich überwiegend mit der Galle, z.T. auch mit dem Urin ausgeschieden werden. Eine nicht unbedeutende Elimination kann (unverändert) mit der Muttermilch erfolgen. Die Metabolisierungsrate scheint der geschwindigkeitsbe-
stimmende Schritt der Elimination zu zu sein. Eliminationshalbwertszeiten wurden im Bereich von ca. 3- 27 Jahren, durchschnittlich bei 7 Jahren ermittelt (Selbstversuche bzw. Untersuchungen an beruflich Exponierten).
Der Wirkungsmechanismus, der offensichtlich rezeptorgesteuert ist und zumindest teilweise über Enzyminduktionen abläuft, wird gegenwärtig intensiv untersucht.

Gesundheitsgefährdung
Einatmen oder Verschlucken kann zu Gesundheitsschäden führen.
Kann die Atemwege, Verdauungswege, Augen und Haut reizen: z.B. Brennen, Augentränen, Jucken.
Vorübergehende Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Benommenheit, Hautverfärbung können auftreten.
Kann Gesundheitsstörungen wie Abwehrstörung, Leberschaden, Nervenschaden, Akne, Bluthochdruck, Bronchitis verursachen.
Bei höheren Konzentrationen können Atem- und Herz-Kreislaufstillstand auftreten.
Dioxin ist im Tierversuch krebserzeugend!
Reichert sich im Körper an.

Hygienemaßnahmen
Berührung mit Augen, Haut und Kleidung unbedingt vermeiden!
Nach Arbeitsende und vor jeder Pause Hände und Gesicht gründlich reinigen!
Benutzte Einweg- oder Mehrweg-Schutzanzüge und Chemikalienschutzhandschuhe sind in geeigneten, abdeckbaren Behältern staubdicht aufzubewahren und anschließend fachgerecht zu entsorgen!
Im Arbeitsbereich keine Lebensmittel aufbewahren sowie weder essen, trinken, schnupfen noch rauchen!

Technische und Organisatorische Schutzmaßnahmen
Die Verarbeitung krebserzeugender bzw. erbgutverändernder Gefahrstoffe ist der zuständigen Behörde sowie der Berufsgenossenschaft anzuzeigen.
Die Zahl der mit diesen Produkten umgehenden Verarbeiter ist so gering wie möglich zu halten.
Auftretende Stäube bzw. Dämpfe direkt an der Entstehungs- oder Austrittstelle absaugen.
Bei Außenarbeiten ist die Staubentwicklung sowie die Verfrachtung von belastetem Material durch Folienabdeckung und Befeuchten zu verhindern. Auch das Einbringen von Material mit staubbindender Wirkung hat sich bewährt!
Das Arbeitsgerät ist nach Abschluß der Arbeiten vor Ort zu dekontaminieren!
Der Arbeitsbereich darf nur über die "Schwarz-Weiß-Anlage" betreten und verlassen werden! Der Arbeitsbereich darf nur mit der notwendigen persönlichen Schutzausrüstung betreten werden!

Persönliche Schutzmaßnahmen
Handschutz: Handschuhe aus: Nitril, Butylkautschuk, Fluorkautschuk.
Beim Tragen von Schutzhandschuhen sind Baumwollunterziehhandschuhe empfehlenswert!
Hautschutz: Für alle unbedeckten Körperteile fettfreie oder fettarme (Öl-in-Wasser-Emulsion) Hautschutzsalbe verwenden!
Atemschutz: Atemschutz bei Grenzwertüberschreitung, z.B. an Vollmaske:
Kombinationsfilter A2-P2 (braun/weiß)
Körperschutz: Einweg-Chemikalienschutzanzug (Typ 4) tragen.

Erste Hilfe
Bei jeder Erste-Hilfe-Maßnahme: Selbstschutz beachten (z.B. Handschutz, Atemschutz); immer auch Arzt verständigen!
Nach Augenkontakt: 10 Minuten unter fließendem Wasser bei gespreizten Lidern spülen oder Augenspüllösung nehmen. Immer Augenarzt aufsuchen!
Nach Hautkontakt: Verunreinigte Kleidung sofort ausziehen.
Mit viel Wasser und Seife reinigen.
Kein Verdünner o.ä. verwenden.
Nach Einatmen: Bei Atem- oder Herzstillstand: künstliche Beatmung und Herzdruckmassage.
Person an die frische Luft bringen.
Bei Bewusstlosigkeit Atemwege freihalten (Zahnprothesen, Erbrochenes entfernen, stabile Seitenlagerung), Atmung und Puls überwachen.
Nach Verschlucken: Bei Bewusstsein sofort in kleinen Schlucken viel Wasser trinken, Erbrechen herbeiführen!
Keine Gabe von Hausmitteln (Milch, Alkohol usw.).

Handhabung
Wer mit Dioxinen umgeht, hat dies der zuständigen Behörde unverzüglich schriftlich anzuzeigen und die notwendigen Schutzmaßnahmen durchzuführen.

Beschäftigungsbeschränkungen
Jugendliche dürfen hiermit nicht beschäftigt werden.
Werdende oder stillende Mütter dürfen hiermit nicht beschäftigt werden.

Vorsorgeuntersuchungen
Personen, die Umgang mit dem Stoff/Produkt haben, sind spezielle arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nach Grundsatz
- G(26): Atemschutzgeräte (falls Atemschutz notwendig werden kann)
- G(40): Krebserzeugende Gefahrstoffe - allgemein
anzubieten. Wird der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten, sind die Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig zu veranlassen - entsprechendes gilt bei unmittelbarem Hautkontakt zu hautresorptiven Stoffen (H-Stoffe).

Schadensfall
Bei unerwartetem Hautkontakt oder stärkeren Verschmutzungen ist unverzüglich eine Körperreinigung durchzuführen. Bei Arbeitsunfällen zuständigen Arzt, unter Hinweis auf eine mögliche Kontamination des Verunglückten, benachrichtigen.

Synonyme/Identifikation
Identifikation:
GISBAU-Nr. : 0/001746-01-6/000000
CAS-Nr. : 001746-01-6
ZVG-Nr. : 32720
EG-Nr. : 217-122-7
Bruttoformel: C12-H4-Cl4-O2
Synonyme:
 - 2,3,7,8-TCDD
 - 2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin
 - 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin
 - Dioxin
 - Seveso-Gift
 - TCDBD
 - TCDD
 - Tetrachlordibenzo[b,e](1,4)dioxin
Konzentrationsgrenzen für Zubereitungen:
c >= 0,0000002 %: krebserzeugend

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