PCB und Dioxine in der Universität Tübingen Arbeitsgruppe PCB 
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Fachtagung "Dioxinähnliche PCB in der Umwelt

Fachtagung "Dioxinähnliche PCB in der Umwelt   -   Quellen, Verbleib, Exposition und gesundheitliche Bewertung" (Augsburg 13./14.1.2003), Veranstalter: Bayerisches Landesamt für Umweltschutz.
Zusammenfassung (130 kB)
Tagungsband (388 kB), 52 Seiten
Wegen ihrer unterschiedlichen Wirkungsmechanismen werden dioxinähnliche und nicht-dioxinähnliche PCB bei Grenzwertabschätzungen separat betrachtet.

  1. Bewertung der dioxinähnlichen PCB und Vorschlag eines Vorsorge- bzw. Gefahrenwertes für dioxinähnliche PCB/Dioxine/Furane:
    Durch die Festlegung von Faktoren zur Umrechnung in Toxizitätsäquivalente (TEQ) ist seit 1998 eine gemeinsame Bewertung der 12 dioxinähnlichen PCB zusammen mit den Dioxinen und Furanen möglich. Das Umweltbundesamt hat einen TDI-Wert von 1 pg TEQ/(kg Körpergewicht und Tag) festgelegt. Bei einem Atemvolumen von 20 m³ in 24 Stunden und einem Resorptionsfaktor von 0,75 errechnet sich für einen Erwachsenen von 70 kg Körpergewicht ein Vorsorgewert von 0,47 pg TEQ/m³. Bei dieser Raumluftkonzentration ist der TDI-Wert zu 10 % über die Atmung ausgeschöpft. Als Gefahrenwert ergibt sich eine Raumluftkonzentration von 4,7 pg TEQ/m³ (Beitrag PD Dr. Körner und Dr. Kerst, Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Augsburg; Tagungsband S. 42).
    (Bemerkung: Die Aufnahme von belastetem Staub und die Aufnahme über die Haut wurden bei dieser Ableitung nicht berücksichtigt.
    Zur Erinnerung: In der Fakultätsbibliothek Physik wurde ein PCB-TEQ von 11 pg TEQ/m³ gemessen.)
  2. Neubewertung der nicht-dioxinartig wirkenden PCB und Vorschlag eines Vorsorge- und Gefahrenwertes:
    Prof. Schrenk (Universität Kaiserslautern) informierte darüber, dass die Ableitung von TDI-Werten speziell für nicht-dioxinähnliche PCB erforderlich sein könnte (Tagungsband S. 37). Er teilte mit, dass zur Zeit der TDI-Wert für einzelne Kongenere sowie für Standardgemische anhand der (vermuteten) empfindlichsten toxischen Wirkungen abgeschätzt werde. Als Endpunkte mit niedrigster Auslösedosis werden die Immuntoxizität und die Entwicklungsneurotoxizität (Schädigung des Nervensystems von Kindern im Mutterleib und von Neugeborenen) angesehen. Auf der Basis von verschiedenen Tierexperimenten wurde für den Menschen ein TDI-Wert von 16,7 ng Gesamt-PCB pro kg Körpergewicht und Tag errechnet (Vortrag Prof. Schrenk).
Zur Gesamtbewertung ist zu prüfen, ob die beiden Grenzwerte unabhängig voneinander eingehalten werden.

Das Verhältnis dioxinähnlicher PCB zu Gesamt-PCB in der Luft lag bei Untersuchungen in der Schweiz (710 kB), (niederchlorierte PCB) zwischen 0,28 und 1,3 pg PCB-TEQ/1000 ng Gesamt-PCB. In Deutschland wurden bisher nur wenige Gebäude auf dioxinähnliche PCB untersucht: In einer deutschen Schule (niederchlorierte PCB ) wurden 1,13 pg PCB-TEQ/1000 ng PCB und in zwei Gebäuden mit Wilhelmi-Deckenplatten (hochchlorierte PCB) je etwa 4 pg PCB-TEQ/1000 ng PCB gemessen. Die Dioxin/Furan-Belastung wurde nur in einem der beiden letzteren Gebäude bestimmt: Sie betrug dort 20% des PCB-TEQ. Auf der Morgenstelle (Tübingen) ist das Verhältnis dioxinähnlicher PCB zu Gesamt-PCB mit 8,44 pg PCB-TEQ/1000 ng Gesamt-PCB besonders hoch. (Vortrag PD Dr. Körner, LfU Augsburg; ein Teil der vorgestellten Messungen wurde von ihm selbst durchgeführt; im Tagungsband sind einige der neueren Messwerte noch nicht zu finden).

Prof. Winneke (Universität Düsseldorf) stellte seine Untersuchung über die "Vor- und nachgeburtlichen Belastung mit PCB und Auswirkung auf die kindliche Entwicklung" vor (Tagungsband S. 38). Zur entwicklungsbezogenen Neurotoxizität von PCB liegen weltweit mehrere Studien an Kleinkindern und Kindern vor, die die Empfindlichkeit des sich entwickelnden Gehirns für PCB im Bereich umweltrelevanter Konzentrationen bestätigen. Prof. Winneke führte in Düsseldorf eine Kohortenstudie durch. Die PCB-Werte im Blut der Kinder und in der Muttermilch sind im internationalen Vergleich als relativ hoch zu bewerten. Im Alter von 30 und 42 Monaten zeigte sich ein deutlich negativer Zusammenhang zwischen vorgeburtlicher PCB-Belastung und der geistigen Entwicklung der Kinder. Ein zusätzlicher negativer Einfluss ergab sich durch die PCB-Zufuhr durch Stillen (Dennoch überwiegen in der Summe die positiven Seiten des Stillens). Prof. Winneke wies nach, dass ein günstiges häusliches Umfeld für die Kinder einen positiven Entwicklungseffekt von vergleichbarer Größenordnung hat. Das Entwicklungsdefizit durch PCB kann somit durch besondere Förderung kompensiert werden.
Im Alter von 72 Monaten war ein negativer vorgeburtlicher PCB-Effekt nicht mehr erkennbar. Er wird vermutlich durch andere Effekte überlagert.


(Bemerkung: Die u.a. von Prof. Schrenk erwähnten neuen tierexperimentellen Daten zur Toxizität von PCB haben (im Rahmen der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung) zur gesetzlichen Verankerung eines Bodenprüfwertes geführt, dessen Ableitung auf einem TDI-Wert von 15 ng/(kg KG * Tag) basiert.
Der alte TDI-Wert von 1 Mikrogramm /(kg KG * Tag), der bisher als Bewertungsgrundlage (u.a. in der PCB-Richtlinie zur Ableitung von Sanierungsziel- und Interventionswerten für Innenräume) herangezogen wurde, wird damit in Frage gestellt.
In einer vom Landesumweltamt NRW in Auftrag gegebenen Studie wurde im Jahr 2002 auf der Grundlage dieser Neubewertung aus einem (aus den obigen Daten gerundeten) TDI-Wert von 15 ng/kg KG*d ein toxikologisch begründeter Raumluft-Vorsorgewert von 10 ng/m³ (20 ng/m³ bei Aufenthalt < 7 Stunden) und ein toxikologisch begründeter Interventionswert von 70 ng/m³ (200 ng/m³ bei Aufenthalt < 7 Stunden) abgeleitet.)

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URL: http://www.tat.physik.uni-tuebingen.de/~pcb-info/tagung-augsburg-0103.html
AutorInnen: Christine Herold (herold@tat.physik.uni-tuebingen.de), Ute Kraus (ute.kraus@uni-tuebingen.de), Corvin Zahn (corvin.zahn@uni-tuebingen.de)
Date: 2006-06-05